Interview mit
Thomas Rabe
Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Thomas Rabe
Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann

Im Interview spricht der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Thomas Rabe über das zurückliegende Geschäftsjahr 2021, über die Wachstumsinitiative „Boost 2025“ und über zehn Jahre an der Spitze von Bertelsmann.

»Fünf bis sieben Milliarden Euro für ‚Boost 2025‘.«

Herr Rabe, wie lief das Geschäftsjahr 2021 für Bertelsmann?

Richtig gut. 2021 war das stärkste Jahr in der 187-jährigen Geschichte unseres Unternehmens. Der Umsatz ist organisch zweistellig auf 18,7 Milliarden Euro gewachsen. Mit 3,2 Milliarden Euro – 3,4 Milliarden Euro waren es vor Streaming-Investitionen – erreicht das operative Ergebnis einen Rekordwert – vor allem dank unserer drei starken Ertragssäulen RTL Group, Penguin Random House und Arvato, die flankiert werden von drei Sprintern, die sich rasant entwickeln: BMG, Bertelsmann Education Group und Bertelsmann Investments. Gleichzeitig stieg das Konzernergebnis auf 2,3 Milliarden Euro, und die Nettofinanzschulden sanken unter eine Milliarde Euro. Das heißt konkret: Kapital ist anders als früher kein limitierender Faktor mehr für unser Unternehmen. Im Gegenteil: Bertelsmann verfügt aktuell über eine hohe Investitionskapazität.

Und die fließt jetzt in Ihre „Boost“-Initiativen?

Das – und noch weit mehr. Bertelsmann wird bis 2025 in Summe zwischen fünf und sieben Milliarden Euro weltweit im Rahmen der Wachstumsinitiative „Boost“ in seine Geschäfte investieren.

Was wollen Sie mit „Boost 2025“ erreichen?

Es geht darum, noch stärker zu wachsen und noch profitabler zu werden. Unser Ziel ist also ein noch mal deutlich höheres Umsatz- und Ergebnisniveau für Bertelsmann bis zum Jahr 2025. Die Wachstumsziele haben wir entlang unserer fünf strategischen Prioritäten genau definiert.

Was heißt das konkret?

Die nationalen Media Champions verzeichneten 2021 einen Umsatz von fünf Milliarden Euro, er soll jährlich um fünf Prozent wachsen. Mit den globalen Inhalten haben wir 6,6 Milliarden Euro erwirtschaftet und gehen von einer jährlichen Steigerung um fünf bis zehn Prozent aus. Die globalen Dienstleistungen, derzeit bei einem Umsatz von fünf Milliarden Euro, sollen ebenfalls pro Jahr um fünf bis zehn Prozent zulegen, der Bereich Onlinebildung von jetzt 0,3 Milliarden Euro um mehr als zehn Prozent. Und bei unseren Beteiligungen erwarten wir eine jährlich 15-prozentige Steigerung der Rendite auf das eingesetzte Kapital.

Das sind ambitionierte Ziele …

Aber sie sind erreichbar. In den vergangenen Monaten haben alle Unternehmensbereiche ihr Wachstumspotenzial definiert und konkrete Projekte festgelegt, die wir nun Zug um Zug umsetzen werden. Dabei handelt es sich um einen Mix aus großen, mittleren und kleineren Investitionsvorhaben. Ab 2024 werden wir uns dann im nächsten Schritt der „Boost“-Initiative zusätzlich neuen Geschäfts- und Wachstumsfeldern zuwenden.

Welche könnten das sein?

Wir haben verschiedene spannende Felder im Blick, die alle gut zu Bertelsmann passen würden. Eines davon ist Digital Health. Der Gesundheitsmarkt hat weltweit ein riesiges Potenzial und er wächst stetig. Nicht zuletzt durch die Pandemie beschleunigt sich die Digitalisierung der Branche. Digitale Angebote verbessern medizinische Behandlungen und senken Kosten. Bertelsmann ist mit seiner Langfristorientierung, seinem Know-how und seiner Bereitschaft, neue Wege zu gehen, geradezu prädestiniert, sich diesen Markt zu erschließen. Und mit Unternehmen wie Relias, Alliant, Afya, Arvato SCS Healthcare und BFS Health Finance haben wir schon einiges an Erfahrung, auf das wir bauen können.

Noch einmal zurück zu „Boost“ – woher kommt eigentlich der Name?

Den Anstoß hat mein Lieblingslaufschuh gegeben, der Adidas Ultra Boost. So, wie ein individuell perfekter Schuh aus einem Läufer oder einer Läuferin noch einiges herausholen kann, so werden wir Bertelsmann noch einmal den entscheidenden Schub verleihen. Und dass wir uns ganz generell seit meinem Amtsantritt vor zehn Jahren in einem Marathon auf dem Weg zu einem wachstumsstarken, digitalen, internationalen und diversifizierten Bertelsmann befinden, habe ich ja schon wiederholt gesagt. Also passte „Boost“ recht gut.

Sie sprechen es an: Sie sind zehn Jahre CEO von Bertelsmann, und im Januar 2022 hat ihre dritte fünfjährige Amtszeit begonnen. Gab es einen Höhepunkt in den ersten zehn Jahren?

In einer so langen Zeit gab es natürlich viele Höhepunkte. Das Wichtigste ist sicherlich, dass es uns zusammen gelungen ist, Bertelsmann so stark zu machen, wie es heute ist – mit einem Geschäftsportfolio von hoher Qualität. Zu den unternehmerischen Meilensteinen zählen aus meiner Sicht die von uns angestoßene Konsolidierung der TV-Geschäfte, der Aufbau der BMG, des Bildungsgeschäfts und von Bertelsmann Investments, die Neuaufstellung von Arvato und des Druckgeschäfts. Und natürlich die Gründung und der Ausbau von Penguin Random House. Ich würde mich freuen, wenn dieser Weg nun durch die Übernahme von Simon & Schuster abgeschlossen werden könnte.

Sind Sie da zuversichtlich?

Leider sind wir auf unerwartete Schwierigkeiten gestoßen. Wir bedauern, dass das U.S. Department of Justice die Übernahme blockieren will. Aber wir sind zuversichtlich, den anstehenden Gerichtsprozess zu gewinnen. Die Fakten sehen wir auf unserer Seite. Mit einer Entscheidung rechnen wir im Laufe des Jahres.

Was erwarten Sie darüber hinaus vom laufenden Geschäftsjahr?

Der Start war gut. Für 2022 erwarten wir einen erneut höheren Umsatz, eine weiterhin hohe operative Profitabilität. Das alles steht unter dem Vorbehalt der weiteren weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen. Und die kann derzeit niemand verlässlich abschätzen. Völlig unabhängig von der Performance unseres eigenen Unternehmens wünschen wir uns jedoch nichts sehnlicher als ein Ende von Krieg, Leid und Flucht in Europa.